Ungewollte Kinderlosigkeit

Nicht jeder kann, der will – Paare leiden oft unter Kinderlosigkeit


Auf den ersten Blick eine romantische Szene: Ein Paar genießt den Sonnenuntergang in trauter Zweisamkeit. Vielleicht sehnt es sich aber nach einem Kind. Foto: dpa

Viele Paare wünschen sich ein Kind, doch der Wunsch bleibt unerfüllt. Einer aktuellen Studie zufolge findet rund jeder zweite Betroffene, dass ungewollte Kinderlosigkeit heute stigmatisiert wird, etwa genauso viele sehen darin ein gesellschaftliches Tabuthema.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) will deshalb betroffenen Paaren Mut machen und über Unterstützungsangebote aufklären. Häufig herrsche Unkenntnis, wer psychosoziale Kinderwunschberatungen anbiete, wo Stellen zu finden seien und was die Paare dort erwarte, hieß es vergangenen Mittwoch von ihrem Ministerium.

Mit Sorgen allein gelassen 

Viele betroffene Paare blieben mit ihren Sorgen und Nöten alleine, weil sie sich unverstanden und ausgegrenzt fühlten, schreibt Giffey auf Facebook. „Kinderlosigkeit ist kein Makel, Kinderlosigkeit ist kein Tabu.“ Die SPD-Politikerin weist darauf hin, dass es Beratungsmöglichkeiten und finanzielle Zuschüsse für Behandlungskosten bei Kinderlosigkeit gibt. Bis zum Jahresende werden sich Giffey zufolge zehn Bundesländer einer entsprechenden Bundesinitiative angeschlossen haben. „Ich setze mich nachdrücklich dafür ein, dass sich auch die übrigen Bundesländer beteiligen, damit ungewollt kinderlose Paare flächendeckend im Bundesgebiet Zuschüsse bekommen können.“

Für die Studie „Ungewollte Kinderlosigkeit 2020“ wurde unter anderem untersucht, wie groß der Anteil der 20- bis 50-Jährigen ist, die keine Kinder haben, aber gern welche hätten. Dieser sei im Vergleich zu 2013 von 25 auf 32 Prozent „erheblich gestiegen“. Von allen ungewollt Kinderlosen haben den Angaben zufolge 25 Prozent der Frauen und 20 Prozent der Männer einen Arzt aufgesucht, um abklären zu lassen, ob die Kinderlosigkeit bei ihr oder ihm organische Ursachen hat.

Mit Beratung zum Kind

Rund die Hälfte der ungewollt Kinderlosen ist einem Bericht der Funke-Mediengruppe zufolge der Auffassung, ungewollte Kinderlosigkeit sei heutzutage stigmatisiert oder ein Tabuthema. Fast ein Drittel der Betroffenen sagt sogar, „Kinderlosigkeit bedeutet für mich gesellschaftliche Abwertung“ (plus 17 Prozent im Vergleich zu 2013). Gestiegen sind auch Zweifel und Bedenken gegenüber einer medizinischen Behandlung zur Erfüllung des Kinderwunsches. Giffey wirbt dafür, sich zumindest beraten zu lassen: „Die Fachkräfte der Kinderwunschberatung können hier ein ganz wichtiger Begleiter werden. Niemand muss Hemmungen haben, eine solche Beratung in Anspruch zu nehmen“, sagt sie.

Von Jörg Ratzsch und Caroline Bock, dpa


Beratungsnetzwerk

Paare, die vergeblich versuchen, ein Kind zu bekommen, erleben scheinbar harmlose Nachfragen à la „Wollt ihr überhaupt Kinder haben?“ schon als verletzend. Verständnis für ihre Gefühlsachterbahn finden sie in den psychosozialen Anlaufstellen der Deutschen Gesellschaft für Kinderwunschberatung, etwa bei Pro Familia oder der Diakonie in Heilbronn. Detaillierte Informationen gibt es auf der Website bkid.de. sb