Sind Rabeneltern die besseren Eltern?

Erziehungsexperte Jan-Uwe Rogge plädiert dafür, sich selbst und seinen Kindern zu vertrauen

Kaum Eltern, die ihn nicht kennen: Jan-Uwe Rogge. Seine Bücher, etwa „Kinder brauchen Grenzen“ oder „Eltern setzen Grenzen“, sind Klassiker der Erziehungsratgeberliteratur. Trotz Corona kann der begnadete Redner nun endlich wieder Mütter und Väter im direkten Kontakt mit Tipps für den Umgang mit ihrem Nachwuchs versorgen. Am Mittwoch ist Rogge Gast vom Haus der Familie in Heilbronn. Thema ist sein jüngstes Buch „Warum Raben die besseren Eltern sind“.

Es ist gängig, berufstätige Mütter als „Rabenmutter“ herabzuwürdigen. Man wirft ihnen mit dem Schmähwort vor, ihre Kinder zu vernachlässigen. Sind Väter die besseren Mütter?
Jan-Uwe Rogge: (lacht) Tatsächlich sollte das Buch ursprünglich eine Hymne auf die sogenannten Rabenmütter werden. Meine Mutter gehörte auch dazu.

Inwiefern?
Rogge: Obwohl das in den fünfziger Jahren noch absolut unüblich war, war sie berufstätig und ich ein Schlüsselkind.

Haben Sie sich da nicht vernachlässigt gefühlt?
Rogge: Absolut nicht. Wobei sie das ohne meinen Vater und die Großfamilie, in der ich aufgewachsen bin, nicht hätte machen können. Für mich und meinen Bruder waren auch immer Groß- und Urgroßeltern da.

Sie tragen das Ihrer Mutter also nicht nach?
Rogge: Nein. Ich habe erkannt, wie toll meine Mutter es fand, arbeiten zu gehen. Sowohl mein Bruder als auch ich sind gut gelungen.

Der Begriff Rabenmutter beziehungsweise -eltern ist für Sie offensichtlich positiv besetzt ...
Rogge: Ja. Weil diese Vögel machen es richtig. Sie versorgen ihre Jungen mit allem, was sie brauchen und so lange sie es brauchen. Nur verlassen die Rabenküken recht früh ihr Nest. Dann sind sie noch nicht wirklich selbstständig. Aber die Eltern bleiben in der Nähe und kümmern sich.

Die Tiere haben keine Angst um ihren Nachwuchs.
Rogge: Genau. Die Raben vertrauen ihren Jungen und sie haben Vertrauen zu sich selber. Auch Menschenkinder brauchen Vertrauen.

Während des Corona-Lockdowns hatten viele Eltern Angst, dieses Aufeinandersitzen zu Hause könnte ihren Kindern schaden.
Rogge: Ja. Da wurden auch ganz viele Fragen und Wünsche an mich herangetragen. Vor allem ging es darum: Wie gehe ich in dieser Situation mit meinen Kindern um? Wie strukturiere ich den Tagesablauf?

Konnten Sie helfen?
Rogge: Ich habe Eltern ermutigt, Vertrauen zu haben. Du kannst bestimmte Dinge von Kindern nicht fernhalten. Aber normalerweise passieren Katastrophen weit weg. In diesem Fall war ja jeder durch die Bedrohung durch das Virus und die Corona-Maßnahmen betroffen.

Wie reagierten Eltern da richtig?
Rogge: Das Wort „richtig“ möchte ich hier streichen. Mütter oder Väter hatten zum Beispiel oft Bedenken, wenn ihr Kind plötzlich wieder nachts zu ihnen ins Bett kommen wollte. Sie dachten, das bliebe dann womöglich auch in Zukunft so. Aber diese Angst brauchen sie nicht zu haben. Es ist wichtig, dass die Kinder das bekommen, was sie gerade akut brauchen, um sich sicher zu fühlen.

Also Stock und Hut?
Rogge: Genau. Ich arbeite immer gerne mit dem Lied vom „Hänschen klein“. Der geht allein mit „Stock und Hut in die weite Welt hinein“. Der Stock stützt ihn, ist ein Hilfsmittel; der Hut behütet ihn, schützt ihn. Darüber hinaus müssen die Eltern darauf vertrauen, dass ihre Kinder schon den rechten Weg finden werden. Und da sein, wenn sie sie brauchen.

Sie haben einen Sohn. Haben Sie angesichts Ihrer großen Ratgebererfahrung in der Erziehung alles richtig gemacht?
Rogge: (lacht) Ich war immer Vater, nie Therapeut. Insofern habe ich die gleichen Fehler gemacht, wie andere auch.

 

Von unserer Redakteurin Susanne Schwarzbürger


Zur Person Jan Uwe Rogge

Jan-Uwe Rogge, geboren 1947 in Stade, gilt seit Jahrzehnten als Erziehungsexperte. Der Autor und Publizist studierte empirische Kulturwissenschaften in Tübingen und promovierte zum Thema Kindermedien in den Verhaltens- und Sozialwissenschaften. Mehr als 15 Bücher hat Rogge seit 1984 zu Erziehungsfragen veröffentlicht. Gleichzeitig ist der Autor als Familien- und Kommunikationsberater tätig, gibt Seminare für Eltern und bietet Fortbildungen für Pädagogen an. Er ist verheiratet und hat einen Sohn. Auch wenn Rogge schon lange im Schleswig-Holsteinischen Bargteheide lebt, ist er regelmäßig auf Vortragsreise in unserer Region unterwegs.

sb