Papas in Elternzeit

Die Geburt eines Kindes kann auch Männer nachhaltig berühren


Immer mehr von ihnen wünschen sich auch nach dem Ereignis eine gleichberechtigte Partnerschaft.
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Vor der Tür gibt es kaum noch Parkplätze, die Wagen stehen bereits in zweiter Reihe – Kinderwagen. Neun Papas samt Nachwuchs haben sich zum Frühstück des Hamburger Vereins „Väter“ eingefunden. Es riecht nach Kaffee, frischen Brötchen, Rührei und Windeln. Auf einer großen Matte krabbeln Babys zwischen Spielzeug, Schnullern und bunten Brotdosen mit Obst und Reiswaffeln. Alles erinnert an eine normale Krabbelgruppe, mit einem Unterschied: Das Stillen oder der Beckenboden sind hier kaum Thema.

Elternzeit für beide Elternteile 

Die Väter bleiben unter sich: Zwischen dem Heben der Kaffeetasse und dem Aufheben von heruntergeworfenem Spielzeug diskutieren sie eifrig über Elternthemen: die Rückkehr in den Job, schlechte Nächte, den besten Babybrei oder die anstehende Kita-Eingewöhnung. Man merkt schnell: Die Papas hier wissen, wovon sie reden. Ihre Frauen sind in die Arbeitswelt zurückkehrt oder schreiben Abschlussarbeiten. Für die nächsten vier bis 16 Monate übernehmen die Männer Kind und Haushalt.

Etwa Tom, der nicht nur „großen Bock“ auf die zehn Monate mit Kind hatte, sondern in der gleichberechtigten Elternzeit auch eine politische Dimension sieht. „Wir leben von Anfang an in einer modernen Partnerschaft, das sollte sich mit Kind nicht ändern“, sagt der Enddreißiger.

Zeit mit Kind ist wertvoll, Erziehung genauso Vätersache, darin sind sich die neun Männer einig. Genauso wie in dem Wunsch, nach der Elternzeit nicht wieder in klassische Verhaltensmuster zu verfallen, nicht Alleinernährer wie der eigene Vater zu spielen, keine Karriere ohne Rücksicht auf das Leben zu machen. Deshalb spricht Man(n) über Teilzeit als Unternehmensberater und zukünftige freie Nachmittag für Fußballtraining oder Kinderschwimmen.

Doch warum wollen diese Vertreter der „Neuen Väter“-Generation es anders zu machen als ihre Väter, als andere Männer in Deutschland? – Nur ein Drittel der Väter gehen überhaupt in Elternzeit, die meisten von ihnen kaum länger als zwei Monate. Danach im Job Stunden zu reduzieren, ist noch ungewöhnlicher.

Vom Zaungast direkt mittendrin 

Bei der Warum-Frage kommen die Gespräche schnell auf ein Ereignis: die Geburt. „Ab dann wird es real. Davor ist die Frau viel näher dran und man selbst nur der Zaungast“, findet Sven. Daniel erzählt von seinem Sprung ins kalte Wasser. Sein Kind kam sechs Wochen zu früh. Er war gerade auf Dienstreise. Als die Nachricht von vorzeitigen Wehen kam, sprang er beim nächsten Halt aus dem Zug und fuhr sofort zurück nach Hamburg. Eine Stunde vor der Geburt stieg er aus dem Zug, drei Stunden später war er Vater. „Ab da wusste ich, aus der Nummer komme ich nicht mehr raus“, sagt Daniel.

Dem „Jetzt aber wirklich“-Moment folgte bei den meisten schnell ein Gefühl der Hilflosigkeit und Überforderung. Wie soll ich dieses kleine Wesen bloß heil durch die Welt kriegen? So berichtet Paul davon, dass er nicht nur bei der Geburt vor Überwältigung geweint habe, sondern auch die folgenden Tage ständig prüfte, ob das schlafende Kind noch atme.

Mehr als ein Lebenseinschnitt

Natürlich geht es an diesem Vormittag auch um die Schattenseiten des Elternseins. Um den Verlust von Freiheit, aufgegebene Hobbys, gescheiterte Pläne oder zähe Tage, an denen der Windelkauf in der Drogerie und der Plausch mit der Kassiererin Highlights sind. Es geht um übergriffige Rentnerinnen, die wahlweise ungefragt Ratschläge geben, Vater-Qualitäten infrage stellen oder über einen Mann mit Kinderwagen in Verzückung geraten.

Ricardo berichtet von der Trennung von seiner Frau. Sie war nicht bereit, ihr altes Leben hinter sich zu lassen. Und er wollte endlich ein langweiliger Spießer sein und das Familienleben genießen. An den unterschiedlichen Vorstellungen zerbrach die Beziehung. Nach dem Ende seiner Elternzeit wollen sie sich die Betreuung des Kindes gerecht aufteilen. Auch das gehört zur Geburt und zur Vaterschaft: Die Veränderung der Beziehung, der Kampf um ein wenig Normalität und altes Leben.

Plötzlich werden die Papas unruhig: Vielstimmiges Gequengel hebt an. In der Väterrunde bricht Betriebsamkeit aus, Gläschen werden herausgekramt, Schnuller gezückt, an Windelpopos gerochen. Jetzt geht es wieder um die Babys.

Von Birk Grüling


Elternzeit und -geld

Die Sache mit dem Elterngeld ist kompliziert. Arbeitnehmer können nach der Geburt ihres Kindes bis zu drei Jahre lang im Job komplett pausieren oder eine Teilzeitarbeit beantragen, also Elternzeit nehmen. Elterngeld steht ihnen aber in lange nicht dem gleichen Umfang zu. Ob zwölf Monate Basiselterngeld oder bis zu 28 Monate lang das sogenannte Elterngeld Plus in Anspruch genommen werden soll oder kann, ist von Fall zu Fall verschieden. Besondere Regelungen gibt es zudem bei Mehrlingsgeburten oder Frühgeburten. Es ist in jedem Fall sinnvoll, sich bereits vor der Geburt gut zu informieren, etwa auf der offiziellen Website www.bmfsfj.de oder auch auf der Internetseite des kommerziellen Elterngeldberaters www.elterngeld.net.

sb